1. Vom NADEL an der ETH nach Bangladesch

NADEL - Der Beginn einer Reise

Im September 2022 habe ich einen Master of Advanced Studies (MAS) in Development and Cooperation (Internationale Zusammenarbeit) am NADEL an der ETH Zürich begonnen. NADEL? Ursprünglich als Nachdiplomstudium für Entwicklungsländer bekannt, bildet das NADEL seit 50 Jahren Menschen aus, die eine Laufbahn in der Internationalen Zusammenarbeit anstreben. Der Ansatz ist seit jeher, Theorie und Praxis zu verbinden. Seit 2024 heisst der Studiengang MAS in Global Cooperation and Sustainable Development - das klingt etwas zeitgemässer... uns wurde auf Initative unserer Klasse hin so geändert.

In meiner Klasse, dem Studienjahrgang 2022-2024, sind wir 24 Menschen aus unterschiedlichsten Ländern wie der Schweiz, Deutschland, Italien, Griechenland, Indien, Bangladesch und Simbabwe… und mit unterschiedlichen Hintergründen. So haben wir Ingenieurinnen, Sozialwissenschaftler, Anthropologen, Agrarwissenschaftlerinnen, aber auch Leute mit einem Hintergrund in Biologie, Jura, Kriminologie und Food/Hospitality Management.

Zuerst hatten wir ein Semester gefüllt mit Kursen zu Entwicklungsökonomie, Politik, Anthropologie, Geschichte, Statistik und WaSH (Water, Hygiene, Saniation and Waste). Zudem lernent wir auch einiges über Projektmanagement (Project Cycle Management), Design Thinking und arbeiteten zusammen mit Entwicklungsorganisationen an realen Problemstellungen. Meine Gruppe, interdisziplinär zusammengwürfelt, hatte den Auftrag, für das Schweizerische Rote Kreuz eine Concept Note auszuarbeiten, die aufzeigt sollte, wie das Rote Kreuz messen kann, ob ihre aktuelle  Organisationsentwicklung einen tatsächlichen Systemwandel hin zu mehr Lokalisierung darstellt.

Ein grosses Thema war auch die Dekolonialisierung der Internationalen Zusammenarbeit. Ein leider immer noch hochaktuelles Thema. Um uns mit diesem vertiefer auseinanderzusetzen, durften wir im Februar 2023 in Gruppen Poster erarbeiten, und diese an einer Konferenz an der ETH zu Decolonizing Curricula, Pluralizing Research and Teaching Postcolonial Perspectives on Universities in the 21st Century präsentieren.

Unser Poster zu Rassismus in der Vergangenheit und der Gegenwart


Ganz ehrlich, ich habe soo viel gelernt in diesem Semester - und es hat sich oftmals angefühlt wie in einer Waschmaschine, in der ich mich auf der ganzen Bandbreite meines Denkens hinterfragt habe. Eine sehr eindrückliche Erfahrung, die ich um keinen Preis mehr hergeben möchte :)

 

Der Praxiseinsatz

Nach einem sehr intensiven ersten Semester folgte für uns der 8-10 (oder in meinem Falle 11)-monatige Praxiseinsatz, um das theoretisch gelernte anzuwenden und unseren Horizont zu erweitern.

Während ich mit dem Schweizerischen Roten Kreuz in Bangladesch bin, sind andere mit Caritas in Libanon, Bolivien oder Cambodia, mit HEKS in Äthiopien, mit der GIZ in Peru oder mit allen möglichen weiteren Organisationen in Burundi, Namibia, Tansania, Sansibar, etc. 

Nach dem Einsatz werden dann weitere Vertiefungskurse in Projekt- und Finanzmanagement und Nachhaltiger Entwicklung folgen. Auch eine Policy Thesis wird im letzten Semester noch anstehen.

Wir hatten ein grosses Mitspracherecht, wo wir unseren Einsatz machen wollten, mit wem, und zu welchem Thema - ein grosses Privileg. Die Auswahl war eine Kombination aus unseren Interessen, Fähigkeiten und bestehenden Projekten von Schweizer Entwicklungsorganisationen.

Für mich war schnell klar: Ich möcht...

  1. zu Abfallmanagement arbeiten,
  2. ich kann mich gut mit den Werten des Roten Kreuzes identifizieren, und
  3. Bangladesch - kenne ich nicht, wird wohl taff, wurde in die höchste für unseren Einsatz erlaubte Sicherheitsstufe eingestuft (Sicherheitsstufen 1-4 aufgrund der Einstufungen des Österreichischen Aussenministeriums waren erlaubt, 5 und 6 nicht - Bangladesch: 4), aber mal schauen...

Und so kam ich nach Cox's Bazar, Bangladesch, ins grösste Flüchtlingslager der Welt, und arbeite hier nun also mit dem Schweizerischen Roten Kreuz in einem Projekt zu Abfallmanagement und Gesundheit.

Karte von Bangladesch, mit Cox's Bazar im Süden

 

Einige Fakten zu Bangladesch

  • Bangladesch liegt in Südasien
  • Ost-Pakistan (heute Bangladesch) hat sich 1971 in einem brutalen einjährigen Krieg von West-Pakistan (heute Pakistan) abgelöst und ist seither ein unabhängiges Land. Zuvor waren Ost- und West-Pakistan ein Land aus zwei Teilen, welche geografisch über 1000 km voneinander entfert liegen. Beide hatten sich 1947 von Indien abgelöst.
  • Bangladesch grenzt an Indien und Myanmar.
  • Bangladesch ist ca. 3.5x so gross wie die Schweiz.
  • Das Land hat ca. 20x so viele Einwohner*innen wie die Schweiz (175 Millionen) Bangladesch hat das grösste Flussdelta der Welt, wo sich der Ganges (Padma) und der Brahmaputra (Jamuna) treffen und in den Bay von Bengalen fliessen.
  • Bangladesch hat den grössten Mangroven Wald der Welt (Sundarbans)
  • Bangladesch verfügt über den längsten Strand der Welt
  • Bangla ist die am sechst häufigsten gesprochene Sprache der Welt.

 

Das Rote Kreuz und der Rote Halbmond in Cox's Bazar

In Cox's Bazar wird der Rote Halbmond von Bangladesch (Bangladesh Red Crescent Society, BDRCS) von verschiedenen Schwesterorganisationen unterstützt, um um die Folgen der Rohingya Flüchtlingskrise zu mildern, so dem Schweizerischen, dem Deutschen, Dänischen, Amerikanischen und Schwedischen Roten Kreuz, wie dem Türkischen Roten Halbmond und Roten Halbmond von Katar. Arbeitsbereiche sind unter anderem Gesundheit, Shelter, WaSH (Water, Sanitation and Hygiene) und DRR (Disaster Risk Reduction). Zudem hilft auch IFRC (International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies), die Dachorganisation aller 192 Rotkreuz- und Rothalbmond Organisationen.

Meine Aufgabe hier wird es sein, das Team des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in seiner Arbeit zu unterstützen und von ihnen ganz praktisch zu lernen und zu erfahren was es bedeutet, in einem humanitären Kontext zu arbeiten. Es wird darum gehen, ein Projekt zu Abfallmanagement (Solid Waste Management) zu unterstützen, welches von BDRCS umgesetzt und vom SRK unterstützt wird.

Wir, BDRCS und das SRK, arbeiten dafür einerseits im Rohingya Flüchtlingslager ("guest community") und andererseits zusammen mit der Bevölkerung, die rund um dieses Flüchtlingslager lebt ("host community").

Kurz: Das SRK setzt keine eigenen Projekte um, unterstützt aber seine Schwestergesellschaft BDRCS mit Managementkapazitäten, technischem Wissen und finanziellen Mitteln darin, Projekte umzusetzen. 

Das SRK Team in Cox’s Bazar besteht aus fünf Personen, unserer Vorgesetzten, einem Projektmanager, einem Monitoring & Evaluation Senior Officer, mir und unserem Fahrer. Was genau meine Aufgaben sein werden, werde ich in einem späteren Beitrag ausführen. Aber schon mal vorweg, es ist sehr sehr spannend - und genau mein Ding, interessiere ich mich doch schon seit Jahren für Abfallmanagement und habe nun endlich die Gelegenheit, ganz tief und praktisch in dieses Thema einzutauchen!

Der Blick aus unserem Büro in Cox's Bazar.
Wir teilen ein Büro mit BDRCS und unseren Schwestergesellschaften.

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